Gemeinschaftsschule

Pressemitteilung

Gemeinschaftsschule

Mit großer Verwunderung nahm der Vorstand des Sekundarschullehrerverbandes Sachsen – Anhalt die Pressemitteilung der Mitteldeutschen Zeitung vom 23.04.2012 zur Kenntnis, wonach die Landesregierung unter großem zeitlichen Druck stehen würde, um das Vorhaben der Einführung der Schulform Gemeinschaftsschule in die dafür notwendigen gesetzlichen Bahnen zu lenken.

Wahrscheinlich gehört es in unserem Bundesland zur Normalität, Bildungspolitik absolut realitätsfern von jeglichen Betroffenen zu gestalten. Wieso steht denn die Landesregierung unter Zeitdruck, sich mit der Gemeinschaftsschule in einer Gesetzesnovelle zu beschäftigen?  Wer setzt denn die Landesregierung unter Druck? Die Antwort auf diese Frage ist einfach: die regierenden Parteien üben diesen Zeitdruck aus – nicht die Schulen, nicht die Lehrerschaft, nicht die Schüler und wohl auch nicht die Elternschaft. Die Bildungspolitiker der SPD machen vehement Druck, die neue Schulform Gemeinschaftsschule zu installieren. Vielleicht wäre es im Vorfeld angebracht gewesen, sich zuerst einmal über inhaltliche Fragen der Gestaltung dieser neuen Schulform Gedanken zu machen. Bisher ist das Neue in der Gemeinschaftsschule eigentlich nur die alte, schulpolitische Forderung nach Binnendifferenzierung, die das Allheilmittel gegenüber der Schulform Sekundarschule ausmachen soll. Wenn dies die einzige Unterscheidung zur Sekundarschule darstellt, ist es wohl sehr mutig über eine neue Schulform zu philosophieren. Die Gemeinschaftsschule wird den Spagat zwischen einem selektierenden, gegliederten und begabtengerechten Bildungssystem und der durch reine Binnendifferenzierung erhofften Qualitätssteigerung nicht bewältigen können. Auch die Begründung, dass durch wegbrechende Schülerzahlen auch die Sekundarschulen bzw. die Gymnasien wegbrechen und deshalb die Gemeinschaftsschule beide Schulformen auffangen könnte, ist blanke Utopie. Wenn auf Grund der demografischen Entwicklung die Schülerzahlen für ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Gymnasien und Sekundarschulen nicht mehr ausreichen, benötigt man doch keine neue Schulform. Viel einfacher und logischer wäre eine Kooperationsform von Gymnasium mit der Sekundarschule oder umgekehrt. Weshalb ist es nicht möglich, an einer Sekundarschule die Klassenstufen 11 und 12 durch Kooperation mit dem Gymnasium zu unterrichten. Auch hier, nebenbei, ist Binnendifferenzierung möglich.

Der Sekundarschullehrerverband verweist, ebenso wie der Philologenverband darauf, dass sich das gegliederte Schulsystem in Sachsen – Anhalt bewährt hat. Richtig ist, dass es noch eine Vielzahl an Hürden und Schwierigkeiten zu überwinden gibt, die aus einer Bewährung eine Auszeichnung machen. Die geplante Gemeinschaftsschule wird diese Hürden aber nicht bewältigen. Die bildungspolitische Vielfalt in unserem Bundesland ist bereits jetzt enorm, die Eltern können zwischen einer Vielzahl von Schulformen die „richtige“ Schule für ihr Kind auswählen. Je nach Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder stehen ihnen als weiterführende Schule die Sekundarschule, das Gymnasium, die kooperative Gesamtschule, die integrative Gesamtschule oder Privatschule zur Verfügung. Weshalb nun noch eine Gemeinschaftsschule?

Die Einführung der Gemeinschaftsschule ist unsinnig und überflüssig. Diese neue Schulform bedeutet wieder neue gesetzliche Reglementierungen, wieder neue Verwaltungsvorschriften, wieder zusätzliche finanzielle Aufwendungen, wieder Unruhe und Ängste in der Schülerschaft, wieder  eine neue Runde im „Lehrerverschiebebahnhof“, wieder…

Der SLV ruft alle politischen Verantwortlichen auf, die Sekundarschule personell, inhaltlich und finanziell zu stärken Die Lehrerinnen und Lehrer an den Sekundarschulen leisten seit Jahren im Schatten der anderen Schulformen eine hervorragende Bildungsarbeit, die Schülerinnen und Schüler bestätigen dies jährlich durch erfolgreiche Abschlüsse. Leider wurde diese Arbeit an den Sekundarschulen von der Politik zwar zur Kenntnis genommen, aber nie wirklich ausreichend gewürdigt. Egal durch welche „Farbe“ die jeweilige Landesregierung in Sachsen – Anhalt geprägt wurde, die Sekundarschule war stets das „Stiefkind“ bildungspolitischer Anstrengungen.

Unser Aufruf an die Landesregierung lautet:  Machen Sie Realpolitik, setzen Sie sich für die Stärkung der Sekundarschule auf allen Ebenen ein und haben Sie

die Kraft die Sekundarschule so auszugestalten, dass diese Schulform den Bildungsanforderungen des 21.Jahrhunderts entspricht.

 

Dietmar Frühauf
stellvertretender Landesvorsitzender des Sekundarschullehrerverbandes

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